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Aus einem alten Bäckereibüchlein:
Bäckerweisheit
I
Des Brotes Seele ist das Mehl taugt diese nicht, geht alles fehl. da nützt kein Mengen und kein Kneten, da hilft kein Fluchen und kein Beten, und wird der Teig mit Milch gedruscht, umsonst ! Der Semmel ist verpfuscht !
So, wenn der Mensch im Kerne faul, verbrennt der Lehrer sich das Maul. Ist hart das Herz, die Seele kalt, hilft weder Güte noch Gewalt, und alle Bildung, Schule, Zucht, ist wie die blaue Pflaumenschale, wir Menschen nennen´s Ideale! Wurmstichig aber bleibt die Frucht, und schwingt der Lehrer gar den Stock, so prügelt er nur einen Rock; man sieht ein kleines Wölkchen Staub – was d´runter ist, bleibt tot und taub.
II
Bäcker, rühre beide Hände ! Drück´ den Daumen ins Gemenge ! Knete, knete, dreh´ und wende nach der Breite, nach der Länge ! Lass´ die träge, zähe Masse stöhnen unter deinem Griff ! Fass´ und würge, würg´ und fasse ! So nur kriegt sie Glanz und Schliff.
Auch der Mensch ist ein Gemenge regelloser Leidenschaft. Käm´ er niemals ins Gedränge, wüsst´ er nichts von seiner Kraft. Würd´ ihn nicht das Schicksal kneten, blieb´ er ewig lockrer Teig; lehrte nicht die Not ihn beten, stürb´ er ruhmlos, schwach und feig. Aber weil ihn fremde Hände rütteln, schütteln bis aufs Mark, wächst er stöhnend bis ans Ende göttergleich und riesenstark.
III
Heizt den Ofen ! Schürt die Flammen ! Ringsum walte gleiche Glut ! Ballt das Feuchte sich zusammen, wird die neue Schöpfung gut. Alles Feuer gleicht der Sonne; aus dem Ofen, heiß und rot, holen wir der Menschheit Wonne, holen wir das neue Brot.
Menschenkind. in heißen Gluten wirst auch Du erst stark und frei, froh des Wahren, Schönen, Guten, und zu eins verschmilzt die Drei. Aus dem Leiden wächst das Lieben, und Du lernst ein neues Ich, mit Anderen Mitleid üben, aber Strenge gegen Dich.
Edgar Steiger 1908
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